In den Niederlanden ist die Familie die wichtigste Betreuungsumgebung für Kinder . Wird ein Kind in eine Familie geboren, geht die Mutter gewöhnlich bald wieder arbeiten, jedoch nur Teilzeit. Das bedeutet meist, dass sie zwei, drei oder vier ganze Tage arbeitet und den Rest der Arbeitswoche frei hat. Dies steht im Gegensatz zu dem deutschen Verständnis von Teilzeit, wo dann jeden Tag eine gewisse Stundenzahl gearbeitet wird (zum Beispiel vormittags oder nachmittags). Im Arbeitsleben und dem Schulsystem ist es unabhängig davon auch üblich, dass Mittwochs und teilweise auch Freitags kürzer gearbeitet wird.
Dadurch konnten wir beobachten, dass am Mittwochnachmittag mehr Kinder mit ihren Eltern auf der Straße waren, als an den anderen Wochentagen. Dieses Phänomen wurde uns als „Mama-Tag“ beschrieben und scheint eine wichtige Tradition zu sein. Ebenso gibt es einen „Papa-Tag“: am Freitag holen vermehrt Väter ihre Kinder von den Betreuungsstellen (Kindergarten, Playgroup, Pre-School und Schule) ab, oft auch früher als sonst, um mit ihnen den Nachmittag zu verbringen.
Die gemeinsame Familienzeit wird als wichtiges Element gesehen und genutzt, so dass sie die kleinen Kinder (zwischen null und vier) nicht in die Einrichtungen bringen, wenn ein Elternteil zu Hause ist. Dadurch wird die Betreuungsstruktur innerhalb der Einrichtungen eine andere, als wir sie von Deutschland kennen: da die Mütter oft teilzeit arbeiten, sind die Kinder nur an den entsprechenden Tagen in den Betreuungsinstitutionen (etwa montags, dienstags und donnerstags). Es ist unüblich, dass kleine Kinder die ganze Arbeitswoche in der Institution betreut werden.
Genauso arbeiten auch die pädagogischen Fachkräfte oft nur Teilzeit und sind so nicht jeden Tag in den Einrichtungen. Dadurch wechseln die Bezugspersonen und Freunde der Kinder in den Einrichtungen je nach Wochentag. Jedoch wird der gesetzlich vorgeschriebene Betreuungsschlüssel, immer eingehalten: 1:4 bei Säuglingen, 1:6 bei Kindern zwischen einem und vier Jahren und 1:10 bei Hortkindern. Auch die Gruppengrößen sind gesetzlich festgesetzt auf 12 Kinder pro Gruppe unter einem Jahr, 16 Kinder pro Gruppe für Kinder zwischen eins und vier und 20 Kinder in den „Schulgruppen“.
Kurzer Überblick über das Schulsystem
Zwar beginnt die Schulpflicht der Kinder erst mit fünf Jahren, dennoch gehen viele Kinder bereits mit vier Jahren in die erste Stufe der Schule: Gruppe 1 (Primary School). In den ersten zwei Gruppen lernen die Kinder nach dem Prinzip: „Learning by playing“, das bedeutet, dass sie neben einzelnen Unterrichtsstunden viel spielen und erleben können. Ab der Gruppe 3 (vergleichbar mit der 1. Klasse in Deutschland) spielen die verschiedenen Bildungsbereiche wie Mathematik, Sprache (Lesen und Schreiben), Geschichte, Naturwissenschaften usw. eine wichtigere Rolle als das kindliche Spiel. Hier beginnt das Curriculum der Niederlande, das durch die Politik gefördert wird. Großer Wert wird dabei auf den kognitiven Stand der Kinder gelegt, der in regelmäßigen Abständen durch landesweite Tests zweimal im Jahr überprüft wird. Nach der achten Gruppe (also mit etwa 12 Jahren) müssen alle Kinder den Cito-Test machen, der dann Grundlage für die Empfehlung von weiterbildenden Schulen (Secundary School) ist.
Primary Education |
Secundary Education |
Tertiair Education |
Primary School |
Vmbo (4 Jahre lang)/ Mbo (3 Jahre lang) |
Hbo |
(4 bis 12 Jahre) |
Havo (5 Jahre lang) |
Hbo |
|
Vwo (6 Jahre lang) |
Un oder Hbo |
Vmbo: = voorbereidend middelbaar beroepsonderwijs (vierjähriger berufsvorbereitender Sekundarunterricht)
Havo: = hoger algemeen voorbereidend onderwijs (höhere allgemeinbildender Ausbildungsgang)
Vwo: = voorbereidend wetenschappelijk onderwijs (vor-universitärer Bildungsgang)
Hbo: = hoger Beroepsonderwijs (etwa wie unsere Fachhochschule)
Un: = Universiteit (Universität)
Die Schulpflicht endet, wenn das Kind mindestens 12 Jahre in der Schule gebildet wurde. Dabei ist es möglich, durch die einzelnen Schulsysteme zu wechseln. Das bedeutet, wenn ein Kind eine Empfehlung für die Vmbo hat, kann es anschließend in die Havo wechseln und so weiter, wodurch alle eine Chance auf einen universitären Abschluss haben. Allerdings braucht das mehr Zeit, da oft Klassenstufen wiederholt werden müssen.
Betreuung der Jüngsten
Betrachtet man das niederländische Betreuungssystem für die nicht-schulpflichtigen Kinder, also Kinder zwischen Null und vier Jahren, dann stellt man fest, dass es (auch durch politische Vorgaben und Gesetze) unterschiedliche Strukturen aufweist.
In den Niederlanden gibt es verschiedene Möglichkeiten kleinere Kinder betreuen zu lassen. Alternativ können Kinder auch in eine Kita (kinderopvang oder kinderdagverblijf) gehen. Allerdings haben nur arbeitenden Eltern einen Anspruch auf einen Kindertagesstättenplatz. Dort sind die Kinder auch nur, während ihre Eltern arbeiten gehen. Wie schon erwähnt, des öfteren nur an einigen Tagen in der Woche. Für alle andern Kinder, deren Eltern nicht arbeiten gibt es die Möglichkeit in so genannte ´Peuterspeelzale` (Spielgruppen) oder Pre-Schools zu gehen. Das Besondere an diesen Betreuungsmöglichkeiten ist, dass sie nur wenige Stunden und Tage in der Woche geöffnet haben. Meistens zweimal vormittags drei Stunden und zweimal nachmittags für zwei Stunden. Mittwochs bleiben sie aufgrund des “Mamatages” geschlossen. Die Pre-Schools und `Peuterspeelzale` dienen hauptsächlich dazu, dass die Kinder in Kontakt mit anderen Kindern kommen (sozialen Umgang üben), gemeinsam spielen können oder Sprachförderung stattfinden kann, so dass die Kinder auf die Schule vorbereitet werden. In diesen Einrichtungen findet man oft Kinder aus Migrantenfamilien wieder, welche aufgrund fehlender Berufstätigkeit beider Elternteile keinen Zugang zu den kinderopvang haben. Die Peuterspeelzale werden von den Kommunen organisiert und angeboten, betrieben werden sie von freien Trägern.
Durch die fehlende Berufstätigkeit der Eltern hat man in den letzten Jahren erkannt, dass viele Kinder keinen Zugang zu einer Einrichtung haben und so Chancen der frühen Bildung, des niederländischen Spracherwerbs und der Integration verpassen. Dem versucht die Regierung mit staatlichen Programmen (VVE Programmen= Voor- en voreschoolse educatie) entgegen zu steuern.
In den Niederlande sind die Kosten der Kitaplätze einheitlich geregelt. Sie werden zu je einem Drittel von den Eltern, den Arbeitgebern und dem Staat übernommen. Dazu müssen alle Arbeitgeber einen bestimmten Betrag (Pauschale) in einen Fond zahlen. Die Eltern zahlen im Jahr etwa 5.000 €; außer die Eltern verdienen im Jahr mehr als 133.000 € (gesamt), dann müssen die Eltern den vollen Betrag von 15.000 € im Jahr (pro Kind) selber zahlen. Die Dreiteilung der Kosten kann nur in dieser Weise stattfinden, da die Kinderbetreuung als “Element des Arbeitslebens” gesehen wird.
Es wird deutlich, das das Bildungssystem der Niederlande einige Unterschiede zu dem deutschen System aufweist.